Wie sich der Männerchor mit Schubert-Liedern neue Horizonte und sängerische Verstärkung erobert
„Man muss sich sehr auf die eigene Stimme konzentrieren und an sich arbeiten“, lautet Sven Wachters persönliche Rückmeldung aus der zweiten Tenorstimme im Männerchor der Freudenberger Liedertafel. Dort hat mit „Der Entfernten“ die Probe eines Liedes von Franz Schubert begonnen, und zwar in einer Chorfassung, die Teil eines Konzerts im November werden soll. Dabei erklingen auch Teile von Schuberts berühmtem Liederzyklus „Winterreise“ gemeinsam mit der Niederfischbacher Sopranistin Manuela Meyer und eingeschobenen Lesungen. Die Aufführung folgt einem von der Künstlerin entwickelten Konzept, wonach der Liederzyklus in Texte und Bilder eingebettet wird. „Die Winterreise bietet sich für ein Projekt an, weil es ein bekanntes Stück ist, mit schönen Melodien und schöner Musik und auch eine Herausforderung bei der Probenarbeit darstellt“, sagt die ausgebildete Opernsängerin, die die Freudenberger Liedertafel in der Vergangenheit bereits konzertant unterstützt hatte und die der Chor als eine musikalisch „verlässliche Partnerin schätzen gelernt hat, die um die Ecke wohnt“, so der Vereinsvorsitzende Sven Wachter.
Der Plan, mit einem eher ungewöhnlichen Aufführungskonzept Interessenten zum Mitsingen anzulocken, ist schon jetzt aufgegangen: Immerhin zwei neue Sänger haben bisher den Weg in die Proben des Männerchores gefunden, und es ist kein Geheimnis, dass die Chormannschaft sich wünscht, dass diese dauerhaft dem Chor treu bleiben. Der Verein formuliert in einer Pressemitteilung zum aktuellen Schubert-Projekt: „Die Liedertafel hofft, dass sich erfahrene Sänger angesprochen fühlen, auch jene, die vielleicht nach einer Pause wieder einsteigen möchten oder aber eine neue gesangliche Heimat suchen, weil sich ihr Chor vielleicht aufgelöst hat.“ Wer diesem Lockruf folgen möchte, ist dazu nach wie vor eingeladen: Der Männerchor probt freitags ab 20 Uhr im eigenen Sängerheim Am Silberstern 23. Sein aktueller Chorleiter ist Daniel Lorsbach, der erklärt: „Wir sind mittlerweile der älteste Chor in der Region.“ Und er verrät weiter: „Wir singen alles, von der Romantik bis in die Moderne.“ Ausdrücklich betont er aber, dass fürs Singen im Männerchor auch Anfänger willkommen seien.
Auch der Frauenchor „Feinklang“ der Freudenberger Liedertafel 1842 hat die Zeit kulturellen Kahlschlags während entbehrungsreicher Corona-Jahre eher recht als schlecht überstanden. Seit knapp einem Jahr leitet ihn der Siegener Musikstudent Jasper Waller, und Sven Wachter bestätigt: „Der Chor hat dadurch nochmal einen Schub und auch ein paar Frauen dazubekommen.“ Über 20 Frauen singen hier wöchentlich montags ab 18 Uhr. Sie überraschten die Mitglieder des Vereins übrigens Ende letzten Jahres, als sie auf der Weihnachtsfeier ein holländisches Lied anstimmten. Sven Wachter: „Wir waren total begeistert.“
Und auch für den „Mittwochschor“ hat sich das lange Warten auf einen Neuanfang gelohnt: Das bis zu 16-köpfige gemischte Gesangsensemble, das sich auch als „EventChor“ bzw. „Auf Uns Chor“ bezeichnet, begrüßte nach einjähriger Suche Mitte letzten Jahres seine neue musikalische Chefin Kirsten Plassmann. Sie ist nicht nur Chorleiterin, sondern auch Sängerin im bundesweit prämierten Chores „BIGGEsang“. Keine schlechten Voraussetzungen also, um den „Mehrgenerationenchor“, wie Sven Wachter selbst formuliert, wieder in Schwung zu bringen. Der Jüngste im Chor ist gerade mal zwölf Jahre alt, die Älteste weit im Rentenalter. Kirsten Plassmann probt mit den Frauen und Männern jeweils mittwochs ab 18.30 Uhr und formt sie auf dem Weg, Zuhörer mit stilecht interpretierter Pop-Literatur zu begeistern. Sven Wachter singt auch dort mit, weiß aus eigener Anschauung, welche Herausforderung es bedeutet, dafür den funktionierenden Groove zu finden, und verrät: „Sie versucht, uns erst einmal einen guten Rhythmus beizubringen.“
Die Freudenberger Liedertafel bleibt also bei ihrem Ehrgeiz, immer wieder neue Wege zu gehen. Überregional in den Medien vertreten war sie ja seinerzeit als der bundesweit erste Chor, der in tiefsten Corona-Abstinenz-Zeiten wieder die Probenarbeit aufnahm. „Wir haben einen Riesenaufwand betrieben, um attraktiv zu bleiben“, so der Vorsitzende. Ein Hygienekonzept mit Abstandsregeln und besonderen Aufbauten waren vonnöten, um seinerzeit das Gesundheitsamt davon zu überzeugen, dass das Proben im Sängerheim auch in Pandemiezeiten vertretbar sei. „Das war vom Gefühl her eine ganz schlimme Zeit“, erinnert sich Wachter, denn „Singen galt zu diesem Zeitpunkt als die gefährlichste Freizeitaktivität, die es gab.“ Am meisten trafen ihn die menschlichen Entbehrungen jener Zeit angesichts vorgeschriebener Regeln rund um Abstandsge- und Versammlungsverbote - vor allem ältere Menschen kämpften mit drohender Vereinsamung.
Davon kann im noch jungen Jahr 2024 zumindest bei der Freudenberger Liedertafel keine Rede mehr sein: Wer bei den Proben der Chöre vorbeischauen möchte, ist dazu jederzeit eingeladen.
Weitere Infos bietet die Website www.liedertafel-freudenberg.de; für Fragen steht Sven Wachter unter svenwachter@t-online.de gern bereit.
Foto „Liedertafel Männerchor“: Manuela Meyer, Sven Wachter und Daniel Lorsbach sowie die Sänger der Liedertafel Freudenberg würden sich freuen, wenn sich „sangeswillige Männer“ beim Projektchor „Winterreise“ von Franz Schubert beteiligten. Fotos: Chor
„Liedertafel Popchor“: Im „Mittwochschor“ sind Groove und sicherer Rhythmus gefragt.
„Liedertafel Frauenchor“: Der Frauenchor „Feinklang“ hat sich mit Jasper Waller wieder auf den Weg gemacht, seinen musikalischen Horizont zu erweitern.